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Freitag 26. Dezember 2008
Hunger ist eine Sicherheitsfrage
© b.p.

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Der Norden schafft Probleme, der Süden muss sie ausbaden: Ralf Südhoff, Deutschland-Chef des Welternährungsprogramms der Uno, geißelt im SPIEGEL-ONLINE-Interview das kurzfristige Denken der westlichen Politik. Der Hunger könne ganze Länder destabilisieren...

SPIEGEL ONLINE: Herr Südhoff, im Sommer war die Welternährungskrise ein zentrales Thema in der Öffentlichkeit. Heute spricht kein Mensch mehr davon. War die Debatte nur Panikmache?

Südhoff: Als die ersten spektakulären Bilder aus Haiti um die Welt gingen, war das Interesse groß. Die Ausschreitungen und der Rücktritt der Regierung haben allen gezeigt: Hunger ist heute sogar eine Sicherheitsfrage und kann ganze Länder destabilisieren. Jetzt ist das Problem durch ein gefühlt viel größeres verdrängt worden, die Finanzkrise.

SPIEGEL ONLINE: Aber die Lebensmittelpreise sind wieder stark gesunken, Rekordernten zeichnen sich ab. Hat sich die Lage nicht entschärft?

Südhoff: Nein, denn einerseits sind die Spekulationen mit Nahrungsmitteln zurückgegangen, weil die Finanzmärkte kollabiert sind, weshalb die Preise nicht mehr um ein vielfaches höher als noch vor kurzem sind. Aber die strukturellen Gründe für den Preisboom wie die hohe Nachfrage durch neuen Wohlstand in Asien und die Biosprit-Expansion sind geblieben. Deshalb sind die Preise bei Getreide, das entscheidende Nahrungsmittel der Armen, immer noch über 80 Prozent höher als 2005.

SPIEGEL ONLINE: Haben die westlichen Industriestaaten vor lauter Panik um die eigene Wirtschaft die Hungerkrise also vergessen?

Südhoff: Sie spielt in den politischen Debatten eine immer geringere Rolle. Zwar wurde im Sommer umfassende Soforthilfe bereitgestellt. Aber um auch nur jeden zehnten Hungernden versorgen zu können, fehlt allein dem Uno World Food Programme sogar in diesem Jahr eine halbe Milliarde Dollar. Das nächste Jahr droht noch schwieriger zu werden, denn frühere Finanzkrisen haben gezeigt, dass viele Staaten in der Folge ihre Hilfen dramatisch einschränken.

SPIEGEL ONLINE: Um die eigene Wirtschaft zu schützen, hat der Westen binnen Tagen Milliarden lockergemacht. Bei Entwicklungshilfe muss um jede Million gebettelt werden.

Südhoff: Das Absurde ist, dass die Staaten des Nordens eine Finanzkrise verschulden, für die der Süden nichts kann – unter der er aber am meisten leidet. Im nächsten Schritt schnüren die Industrieländer Rettungspakete, damit sie glimpflich davonkommen, drohen dann aber zu sagen: Wir wissen nicht, ob wir jetzt noch genügend Geld für die Entwicklungshilfe haben. Man streicht bei denen, die am wenigsten für die drei großen Krisen können, aber am meisten unter der Finanz- und der Ernährungskrise wie auch den lange hohen Ölpreisen leiden.

SPIEGEL ONLINE: Welche Auswirkungen hat die Rezession auf die Hungerkrise?

Südhoff: Die Wachstumsprognosen für die Entwicklungsländer sind bereits um rund zwei Prozent nach unten korrigiert worden. Laut Weltbank bedeutet dort ein Prozent weniger Wachstum im Schnitt 20 Millionen mehr Arme. Wir müssen also mit 40 Millionen mehr verarmten Menschen allein durch niedrigeres Wachstum in 2009 rechnen. Und da sind die 115 Millionen Menschen noch gar nicht eingerechnet, die bereits durch die gestiegenen Nahrungs- und Ölpreise zusätzlich in den Hunger getrieben wurden...

Quelle: www.spiegel.de

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