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Montag 22. September 2008
Öko-Hotel: Reines Gewissen per Mausklick

© BioSeehotel Zeulenroda

Bio-Zisch statt Cola, CO2-Ablasshandel am Computer: Ein früheres DDR-Ferienheim hat sich zum Vorzeigeprojekt für Öko-Tourismus gewandelt. Am Anfang hagelte es Spott - doch jetzt sind manche Mitarbeiter des Bio-Seehotels Zeulenroda so begeistert, dass sie auch privat ihre Gewohnheiten änderten...

Am guten Gewissen des Hauses kommt kaum ein Gast vorbei. Der große weiße Computerbildschirm steht gleich neben der Rezeption - das neue Klimaterminal des Bio-Seehotels im ostthüringischen Zeulenroda. Über den Schirm flimmern Bilder von hellgelben Seerosen und grünen Laubfröschen, im Hintergrund plätschert leise ein Wasserbecken. Hier können die Gäste gleich beim Einchecken ihre Ökosünden ausgleichen, die durch Hotelaufenthalt und Anreise entstehen.

Berechnet wird jedes noch so kleine Detail: Von der Anfahrt mit dem Klein- oder Mittelklassewagen über den Betrieb der hauseigenen Wäscherei, der Produktion der Stoffbadeschuhe für die Sauna bis hin zur Kuh, die die Milch für das Frühstück liefert.

Innerhalb weniger Minuten klicken sich die Besucher durch das eigens entwickelte Programm, das unbarmherzig alle Klimasünden zusammenrechnet. Dem Computer zufolge werden pro Übernachtung und Anfahrt rund 30 Kilogramm Kohlendioxid abgegeben. Das gute Gewissen kostet knapp einen Euro. Mit dem grünen "Ja, ich will"-Button kann der Hotelgast den Betrieb eines Windkraftparks in Indien oder die Aufforstung in Uganda unterstützen. Die Rechnung ist einfach, die Dimension gewaltig: Würden bei einer 50-prozentigen Auslastung des 307 Betten großen Hauses alle Übernachtungen ausgeglichen werden, so könnten rund 1,2 Millionen Tonnen CO2 neutralisiert werden.

"Jeder kann selbst entscheiden, ob er einen Beitrag leisten möchte", sagt Geschäftsführer Stephan Bode. Er hatte die Idee für das Klimaterminal, nachdem Experten das gesamte Hotel durchleuchtet und eine CO2-Bilanz erstellt haben. "Das Ergebnis war erschreckend, wir haben Millionen von Tonnen rausgeknallt".

Seitdem hat sich vieles verändert. Doch trotz aller Anstrengungen bleibt immer noch einiges an CO2-Emission übrig: "Dafür haben wir eben den Ablasshandel für Ökosünden, das Klimaterminal, entwickelt", so Bohde. Die Resonanz sei positiv, immer mehr Unternehmen wollen ihre Tagungen klimaneutral gestalten und buchen das Hotel gerade wegen des Terminals. "Grün ist schick geworden", erklärt sich der 43-Jährige den Erfolg.

In Sachen Umweltschutz und Bio gilt das Zeulenrodaer Hotel längst als Musterschüler in der Branche. Vor zwei Jahren ließ der Chef das gesamte Haus zum ersten Bio-Tagungshotel Europas umkrempeln: Gekocht wird im Restaurant seitdem nur noch mit Bio-Produkten, vorwiegend aus der Region. Fanta, Sprite oder Coca-Cola sucht man auf der Getränkeliste vergebens, stattdessen gibt es "Bio-Zisch" oder naturtrüben Apfelsaft, natürlich aus ökologischem Anbau.

Die Reinigungsfirma putzt ausschließlich mit biologischen Reinigungsmitteln, Bettwäsche und Handtücher werden aus ungebleichten Öko-Tex-Stoffen hergestellt. Tagungsräume und Gästezimmer sind mit schadstofffreien Naturmaterialien ausgestattet. Anfangs reagierten die 130 Mitarbeiter skeptisch, die Zeulenrodaer mit Ablehnung. Bode erinnert sich an die Vorbehalte: "Niemand kommt in ein Hotel, wo alles öko ist und es nur Körner zu essen gibt", hätten die Leute damals gesagt.

Doch mittlerweile hat sich die Idee durchgesetzt. Die Mitarbeiter sind stolz auf ihr Bio-Hotel. "Früher war mir das nicht so bewusst, aber seitdem ich hier arbeite, kaufe ich auch mehr Bio", sagt Auszubildende Juliane Beyer. Einige Landwirte aus der Umgebung haben sogar ihre Produktion umgestellt, um das Hotel zu beliefern. In der Lobby hängen zahlreiche Urkunden und Auszeichnungen: Bestes Tagungshotel in Deutschland, Gewinner des "International Spirit at Work Award" für ethische Geschäftspraktiken, der 1. Platz beim Grand Prix der "Tagungshotels zum Wohlfühlen".

Zu Tagungen wie dem Internationalen Biokongress und der "Arena für Nachhaltigkeit" reisen Experten aus ganz Europa nach Zeulenroda - eine bis dato wohl für die meisten eine unbekannte thüringische Kleinstadt an der Grenze zu Sachsen. Rund 17.000 Menschen leben in der Doppelstadt Zeulenroda-Triebes, mitten im Thüringer Vogtland. Die Landschaft ist geprägt durch sanfte Hügel, goldgelbe Weizenfelder, kleine Ortschaften. Eine Region, die seit der Wende mit der Abwanderung junger Menschen und Arbeitslosigkeit kämpft.

Auf den ersten Blick nicht unbedingt ein optimaler Standort für ein Tagungshotel: Die Vergangenheit als DDR-Plattenbau lässt sich trotz modisch verglaster Fassade nicht leugnen, Infrastruktur ist kaum vorhanden: Einen Bahnhof gibt es nicht mehr, nur Busse halten noch in Zeulenroda. Auch die Anfahrt gestaltet sich schwierig. Der nächste Flughafen in Thüringens Landeshauptstadt Erfurt ist rund 100 Kilometer entfernt, die nächste Autobahn 15 Kilometer.

Und dennoch war Stephan Bode begeistert, als er das Haus zum ersten Mal sah: "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt der gebürtige Hannoveraner. Die funktionalen Räume, die Lage am "Zeulenrodaer Meer", der knapp 230 Hektar großen Talsperre. "Eine geniale Hardware", nennt es Bode, der Ende 2005 die Idee hatte, aus seinem Haus das erste Bio-Tagungshotel Europas zu machen.

Als Spinner, Visionär und bekennender Esoteriker - so beschreibt sich Bode. Er sitzt im Kaminzimmer des Bio-Hotels, durch die verglasten Panoramafenster glitzert der See. Die Haare raspelkurz, braune Augen, Dreitage-Bart. "Es ist ein Geschenk, dass ich mich hier so austoben und verwirklichen kann", sagt Bohde. Mit 14 Jahren schmiss er die Schule, kurz darauf begann seine Ausbildung zum Restaurantfachmann. Mit der MS Europa segelte er um die Welt, lebte dann jahrelang in Asien und Südafrika, wo er Hotels leitete.

So unkonventionell wie seine Karriere ist auch seine Unternehmenskultur: Eine Heilpraktikerin steht jederzeit für die Mitarbeiter zur Verfügung, eine Geomantin untersucht das Haus auf negative Energieströmungen und misst, in welchen Regionen Deutschlands die Kundenbindung besonders stark ist.

Das ökologische Engagement lohnt sich auch ökonomisch: Im ersten Halbjahr 2008 verzeichnet das Bio-Hotel einen Zuwachs von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, die Auslastung liegt bei rund 45 Prozent. Als Bode 2002 den Posten des Geschäftsführers übernahm, waren gerade einmal 20 Prozent der Betten belegt. Für Bode ist es entscheidend, in beiden Bereichen erfolgreich zu sein. "Es macht keinen Sinn, mich ökonomisch nach vorne zu katapultieren, mir aber die Lebensgrundlagen zu nehmen", sagt er.

Weitere Planungen für die Zukunft gibt es bereits: Das Bio-Seehotel soll energieautark werden. Wasserkraft aus der Zeulenrodaer Talsperre soll den gesamten Strombedarf künftig decken. Eine Machbarkeitsstudie hat das Hotel bereits beim Fraunhofer Institut in Auftrag gegeben. Wenn es funktioniert, dann soll ganz Zeulenroda, später die ganze Region des Thüringer Vogtlandes mit vor Ort erzeugter regenerativer Energie versorgt werden.

Quelle: www.spiegel.de, von Christiane Raatz